Die Bertha-von-Suttner-Schule im Spiegel der Presse

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Samstag, 24.09.2011

"Eigentlich wollte ich das schon immer"

Bildung: An der Suttner-Schule in Mörfelden-Walldorf helfen zwei Quereinsteiger, Mangelfächer abzudecken

Wie schreibt man einen Zeitungsartikel - noch dazu auf Spanisch? Die Schüler der elften Jahrgangsstufe der Bertha-von-Suttner-Schule in Mörfelden-Walldorf grübeln über den Fragen, die ihnen Estefania Cuadrado Luque gegeben hat. Während Stifte gekaut, Köpfe zusammen gesteckt und Formulierungen diskutiert werden, geht ihre Spanisch-Lehrerin von Tisch zu Tisch, hilft mit Vokabeln aus, gibt Tipps für die richtige Formulierung.

"Wir lernen Spanisch seit der siebten Klasse", sagen Robert und Doruk, die neu an der Suttner-Schule sind, "und der Unterricht bei Frau Cuadrado Luque ist schon anspruchsvoller als in der alten Schule."

"Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass die Schüler jetzt in der Oberstufe sind", sagt die Lehrerin nach Unterrichtsschluss. Für sie hat sich mit Beginn des Schuljahres auch vieles geändert: Estefania Cuadrado Luque ist jetzt eine "Quislerin", eine Quereinsteigerin in den staatlichen Schuldienst.

Hilfestellung beim Verfassen eines Zeitungsartikels auf Spanisch gibt Lehrerin Estefania
Cuadrado Luque in ihrem Oberstufenkurs der Jahrgangsstufe elf. Die Achtunddreißigjährige
unterrichtet an der Bertha-von-Suttner-Schule Mörfelden-Walldorf im Zuge des
Quereinsteigerprogramms in den Schuldienst Spanisch und Deutsch.
Foto: Alexander Heimann


Seit 2009 besteht für Akademiker mit Berufserfahrung die Möglichkeit, zu unterrichten und eine berufsbegleitende Ausbildung zur gleichgestellten Lehrkraft zu machen. Allerdings nur dann, wenn sie mit ihrem Unterricht einen Mangel abdecken - also etwa Physik, Chemie oder Spanisch lehren können.

Was ein Mangelfach ist, hängt vom Angebot ab. Verfügbare Lehrer sind auf der hessenweiten Rangliste bei der Zentralstelle Personalmanagement Lehrkräfte (ZPM) in Darmstadt vermerkt. Findet sich dort kein geeigneter Kandidat, haben Schulleiter die Möglichkeit, über die Zentralstelle für stellenbezogene Ausschreibung eine Lehrkraft zu finden. Nur wenn über beide Verfahren kein Bewerber gefunden wird, bleibt als dritte Chance, einen Quereinsteiger anzufordern.

Im Zuständigkeitsbereich des Staatlichen Schulamtes für den Kreis Groß-Gerau und den Main-Taunus-Kreis waren es bis heute 35 Quereinsteiger. Die ersten haben inzwischen ihre Prüfung absolviert, sagt der stellvertretende Amtsleiter Klaus Feine-Koch. Weitere 14 haben es versucht, die Ausbildung aber wieder abgebrochen.

"Natürlich gibt es auch stressige Momente", sagt Cuadrado Luque. Die in Deutschland geborene Spanierin hat die Fächer Deutsch, Spanisch und Geschichte studiert. Weil Spanisch bei ihrem Abschluss 2002 noch kein Unterrichtsfach war, ging sie zunächst in die Erwachsenenbildung. Parallel unterrichtete sie aber schon stundenweise an der Luise-Büchner-Schule in Groß-Gerau. Der Unterschied zur Erwachsenenbildung? "In den 24 Wochenstunden Unterricht hier werden ungleich höhere Anforderungen an Nerven, Stimme und Geduld gestellt."

Angefordert wurde Cuadrado Luque als Quislerin von Schulleiterin Ute Zeller. Neben der Spanisch-Lehrerin hat sie noch einen Quisler mit der raren Fächerkombination Physik und Chemie ergattert. Beide durchlaufen jetzt ihre berufsbegleitende Qualifikation. "Ich rate jedem, der sich für den Quereinstieg interessiert, zunächst in einem Praktikum zu testen, ob er geeignet ist für die pädagogische Arbeit", sagt die Schulleiterin. "Es ist eine große Herausforderung, wenn die Kandidaten auf einmal 30 Kinder unterrichten müssen."

Die Suttner-Schule braucht vor allem auch Quereinsteiger für den rasant angewachsenen Gymnasialzweig. "Wir haben großen Bedarf an Spanisch-Lehrern, weil es nur wenig Leute gibt, die das auf Lehramt studieren." Aber auch Naturwissenschaftler werden hessenweit gesucht. "Die meisten wollen nach dem Studium in der Forschung bleiben", erklärt Zeller. Doch der Stellenabbau an den Unis führe dazu, dass sich auch Naturwissenschaftler zunehmend für die Lehre an der Schule interessieren.

"Das sind alles hochqualifizierte Leute, aber die pädagogische Begabung muss eben auch stimmen." Sechs Monate Probezeit hat deshalb ein Quisler, nach denen die Schulleitung die Eignung aussprechen muss. "Das konnte ich bei unseren Kandidaten auch uneingeschränkt tun", sagt Zeller. Und die Schulgemeinde? "Der Schulelternbeirat findet es gut, wenn wir einen fachlichen Mangel abdecken können", sagt die Schulleiterin. Auch Konkurrenzdenken der Lehrer, die ihre Qualifikation im ersten Anlauf erworben haben, "möchte ich für unsere Schule ausschließen - das Team ist sehr kollegial, die Bereitschaft, für die berufsbegleitende Ausbildung Mentor zu sein, sehr groß."

Estefania Cuadrado Luque ist mit ihrer neuen Berufsperspektive sehr zufrieden. "Eigentlich wollte ich schon immer junge Leute unterrichten", sagt sie, "in den drei Jahren an der Schule in Groß-Gerau habe ich schon gesehen, welche Freude, aber auch welche Verantwortung das ist: Man unterrichtet ja nicht nur, man erzieht auch."

Bericht: Sigrid Aldehoff

Quelle: Groß-Gerauer Echo vom 24.09.2011
echo-online.de